Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Auch die Bildungsorganisation Universität/Hochschule muss sich Fragen von und (externen) Erwartungen an Digitalisierung stellen. Herausfordernd ist, dass mit den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen stets die ganze Organisation Hochschule in Forschung und Lehre betroffen ist, nicht nur einzelne Akteure wie
die Hochschulleitung, Medieneinrichtungen oder Lehrende und Studierende. Digitalisierung als Prozess stellt damit Anforderungen an Hochschulen, die nur mit Weitblick, Selbstbewusstsein und im Dialog bewältigt werden können.
Auch konkrete Forschungsperspektiven werden zum Teil erst eruiert bzw. interdisziplinär zusammengeführt, wenn Forschungsfragen mit der Existenz
bestimmter Technologien entstehen bzw. beantwortet werden können (z. B. Learning Analytics, Big Data, Ethik der Informatik). Unter anderem deshalb werden partizipative Hochschulentwicklungsprozesse angeregt – mit externer Hilfe mancherorts auch umgesetzt, um die Komplexität zu reduzieren und Hochschulen durch äußere Impulse zu unterstützen bzw. weiterzuentwickeln.
Für den Call sind deshalb besonders solche Beiträge und Einreichungen von Interesse, die sich umfassende und übergreifende Fragen der Digitalisierung in Hochschulen stellen und diese Fragen zwischen Hochschul- und Mediendidaktik, E-Learning und Hochschulforschung, Informatik, Erziehungs- und Sozialwissenschaften o. ä. Bezugsdisziplinen bearbeiten. Ziel ist es, Schlaglichter auf ein derzeit bildungspolitisch hoch relevantes Thema ausgehend von der Binnenperspektive der Hochschule(n) zu werfen. Dabei sind sowohl theoretisch-konzeptionelle als auch empirische Beiträge auf unterschiedlichen Gestaltungsebenen von Hochschule erwünscht. Innerhalb des Themenfelds können folgende Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden:
Das Denken über Digitalisierung: Begriffliche und phänomenologische Auseinandersetzungen sowie Reflexionen über Digitalisierung in Hochschulen:
Inhaltliche Fragen oder Aspekte der Digitalisierung können aus theoretischer, empirischer und/oder praxisreflektierender Sicht thematisiert werden, z. B. Verständnisse von und Prozesse der Digitalisierung, weitere Konzepte wie:
Postmedialität (z. B. DITTLER, 2017), Digitalität (STALDER, 2016), Mediatisierung (z. B. KROTZ, 2012), Strategien und Maßnahmen wie
Hochschulentwicklungspläne zwischen Utopie und Realität, Lernen unter vernetzten Bedingungen, subjektive Sinnzuschreibungen zu Medien und Technologie(n), Agency und Zeitschrift für Hochschulentwicklung Jg. 15 / Nr. 1 (März 2020)
Sensemaking. Dabei ist es erwünscht, aus unterschiedlichen disziplinären, theoretischen oder praktischen Blickwinkeln auf das Thema Digitalisierung an Hochschulen zu schauen. Einladen möchten wir auch (digitalisierungs-)kritische Beiträge, die angesichts der verbreiteten Lesart einer digitalen Transformation in wissenschaftlichen Communities seltener artikuliert werden.
Die Praxis der Digitalisierung oder: Praktiken in der Hochschule durch Digitalisierung:
Mit zunehmender Digitalisierung ergibt sich sukzessive eine Praxis der Digitalisierung innerhalb von Hochschulen. Entsprechend können im Zusammenhang mit dem Call auch Fragen zur veränderten Handlungspraxis an Hochschulen beleuchtet werden. Denkbar ist etwa, das veränderte Medienhandeln von jungen Erwachsenen zu fokussieren oder sich Kooperationsformen im Zusammenhang mit der Digitalisierung in Studium und Lehre zu widmen. Auch kann diskutiert werden, warum trotz technischer Möglichkeiten bei Studierenden als junge Erwachsene zum Teil Partizipationslücken sichtbar sind (GRELL & RAU, 2011).
Zu reflektieren ist u. a. auch darüber, wer oder was (digitaler) Kooperation und Zusammenarbeit in Lehre und Studium im Weg steht. Welche empirischen Befunde gibt es für gelungene oder mangelnde Kooperation in Hochschulen, welche empirischen Befunde zu Praktiken der Hochschulbildung unter der Perspektive der Digitalisierung? Welche Rolle spielen einzelne Akteursgruppen, etwa die Studierenden, dabei? Welche Rollenzuschreibungen implizieren
Digitalisierungsprozesse?
Organisationale (Re-)Aktionen und Strategien: Die (digitale) Transformation der Hochschule als Organisation:
Auch das Verständnis einer digitalen Transformation von Hochschulen ist zu reflektieren, wenn Hochschulen mit ihren Mitgliedern seit Jahrzehnten eine zögerliche Veränderungsbereitschaft attestiert wird (z. B. SCHIMANK, 2005). Implementierungsstrategien wirken bei der Durchdringung konkreter Projekte und Veränderungsmaßnahmen mitunter reaktiv (vgl. KLEIMANN & WANNEMACHER, 2004). Ein Hochschulstudium ist zudem eine Einführung in
eine akademische Community, die ebenfalls von Digitalisierungsprozessen betroffen ist.
Zu diskutieren ist daher auch, inwiefern sich wissenschaftliche Praxis im Prozess der Digitalisierung verändert und welche Implikationen z. B. Openness, Open Access und Open Science/Education für Forschung und Lehre in Hochschulen bereithalten. Weitergehende Fragen in diesem Bereich sind u. a.:
* Inwieweit werden inter- oder transdisziplinäre Perspektiven auf Digitalisierung in Hochschulen nötig, wie werden Befunde und Erkenntnisse aus den Fächern intern aufgenommen und diskutiert?
* Inwieweit wird Digitalisierung zum Gegenstand in der Lehre?
* Welche Herausforderungen hält die anhaltende Diskussion um Openness für alle Gestaltungsebenen von Hochschulen bereit?
Erforschung der Digitalisierung in Hochschulen:
Forschungsparadigmatische, -methodische und -ethische Implikationen
Nicht zuletzt kann forschungsparadigmatisch, -methodisch und -ethisch darüber diskutiert werden, welche Zugänge sich zur Erforschung oben exemplarisch angeführter Zusammenhänge in der Hochschule besonders eignen. Welche Haltung ist zur Erforschung von Hochschule zwischen Hochschul- und Mediendidaktik, E-Learning und Hochschulforschung jetzt und künftig nötig? Welche neuen (und alten) Forschungsformen und -methoden sind für die Erforschung von Phänomenen mit Bezug zur Digitalisierung angemessen?
Welche forschungsethischen Implikationen sind mit Fragen der Digitalisierung verbunden? Welche Bedeutung spielen künftig Lehrveranstaltungsevaluationen und die Professionalisierung der Forschungsförderung im Bereich Digitalisierung zur Bottom-up-Entwicklung von Hochschule? Wie wichtig werden qualitativ-rekonstruktive Verfahren, die sich insbesondere der (aktuellen) Praxis an Hochschulen widmen? Und inwieweit können alle Akteure in Forschung eingebunden werden, um die Hochschule als andauerndes Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu begreifen (MORMANN & WILLJES, 2013)?
Die Deadline zur Einreichung von vollständigen Beiträgen der 30. September 2019. Der Erscheinungstermin der Ausgabe ist März 2020.
Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich bitte an die Herausgeberinnen
(sandra.hofhues@uni-koeln.de, mandy.rohs@sowi.uni-kl.de, sandra.assmann@rub.de oder taiga.brahm@uni-tuebingen.de).
Bei technischen und organisatorischen Fragen wenden Sie sich bitte an Michael Raunig (office@zfhe.at).
Wir freuen uns auf Ihre Einreichung!
Sandra Hofhues, Mandy Schiefner-Rohs, Sandra Aßmann & Taiga Brahm
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