Der Studentische Soziologiekongress mit dem Schwerpunkt „Grenzenlos leben?! – Interdisziplinär denken“ findet dieses Jahr vom 19. September bis 22. September an der Ruhr-Universität Bochum statt und wird von der Fachschaft für Sozialwissenschaft organisiert. Der Kongress hat einen stark kommunikativen Charakter und entspricht damit dem Wunsch des wissenschaftlichen Nachwuchses, sich auszutauschen, aktuelle Themen zu diskutieren, sowie methodisch und inhaltlich voneinander zu lernen. Interessierte Studierende haben die Möglichkeit bis 3. März sich für eine Teilnahme zu bewerben bzw. einen eigenen Beitrag einzureichen
Abstract: Grenzen sind in vielfältiger Weise Knotenpunkt aktueller gesellschaftlicher Diskurse. Es gilt Grenzen aufzulösen, zu überwinden, zu erweichen, zu schützen, zu erkennen und zu diskutieren. Im Folgenden werden einige Themen angesprochen, jedoch sind das keineswegs alle Bereiche, die es sich vorzutragen und anzuhören lohnt. Wenn ihr euch mit dem Kongressthema angesprochen fühlt, meldet euch gerne bei uns, auch wenn euer Forschungsinteresse nicht explizit in dem Aufruf als Unterpunkt genannt wird.
Technik und Wissen
Die Aufbereitung und Verbreitung von Wissen hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die Etablierung neuer Medien stark verändert. Smartphones, Tweets, Kommentare, Blogs und Snaps gehören zur alltäglichen Lebenspraxis, die sich nicht nur auf Politik, Journalismus und den Wandel von Arbeit auswirken, sondern auch die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata jeder einzelnen Person verändern. Die Vielfalt an Wissen ist für einen Großteil der Menschen jederzeit abzurufen. Technische Innovationen lassen sich in allen Lebensbereichen entdecken. Screenings ermöglichen uns Interpretationen der menschlichen DNA, smarte Häuser bereiten den morgendlichen Kaffee bereits vor dem Aufstehen zu und Roboter leisten Care-Arbeit. Welche Auswirkungen lassen sich hieraus ableiten und wer übernimmt überhaupt Verantwortung?
Individualisierung
Die Ausdifferenzierung von Lebensstilen scheint aktuell einen neuen Bedarf nach Identität zur Folge zu haben und führt andererseits zu neuen Beziehungs- und Einsamkeitsformen. Dies stellt neue Anforderungen an Einzelne und an die Familie als Vermittlungsinstanz zwischen Individuum und Gesellschaft. Der durch Informationen getriebene Wandel lässt eine Einordnung in öffentlich und privat kaum zu und zeigt uns im Alltag, dass Individualisierung ohne ein Gegenüber nicht möglich ist. Bedeutet fortschreitende Individualisierung Freiheit von gesellschaftlichen Zwängen oder die Tyrannei der Autonomie?
Arbeit und Wirtschaft
Entgrenzte Erwerbsarbeit bietet auf der einen Seite Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, aber auch das Risiko von einer Verbetrieblichung des Alltagslebens. Die verstärkte (Selbst-) Ausbeutung von Subjektivität bringt Benachteiligte dieser Entwicklung hervor: insbesondere atypisch Beschäftigte leiden unter zunehmender Prekarisierung und mangelnder sozialer Teilhabe. Der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit findet nun vermehrt im Individuum selbst statt. Wo liegen die Grenzen kapitalistischer Wachstumslogik und welche langfristigen Folgen entwickeln sich durch den strukturellen Wandel der Arbeitswelt?
Urbane Räume, Region, Migration
Wenn Menschen sich, u.a. aufgrund von Repression und Klimawandel über Länder und Staaten hinwegbewegen, gilt es in einer globalisierten und vernetzten Welt Barrieren des Zusammenlebens zu überwinden. Während es in Europa parallel zur Öffnung und Verstärkung von Grenzen kommt, stellen Mobilität und Grenzübergänge auch die lokale Ebene, Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen. Segregationstendenzen resultieren in der räumlichen Trennung von sozialen Gruppen und Gentrifizierungsprozesse befeuern Debatten über das Recht auf Stadt in urbanen Räumen. Welche Auswirkungen haben politische Grenzen auf internationale Migrationsbewegungen und wird das Primat der sozialen Durchmischung für Stadtgesellschaften ausreichend diskutiert?
Geschlecht und soziale Ungleichheit
Neben verschiedenen anderen Diskriminierungskategorien stellt die Kategorie Geschlecht eine der zentralen Merkmale sozialer Ungleichheit dar. In modernen Gesellschaften sind Männer und Frauen immer noch nicht vollständig gleichgestellt. Sei es in der Arbeitswelt, Politik oder der Familie. Reproduktionsarbeit ist nach wie vor weitgehend die Aufgabe von Frauen. Dabei spielen geschlechtsspezifische Rollenerwartungen eine erhebliche Rolle, welche sowohl Frauen als auch Männer in ihrer Lebensgestaltung bedeutend einschränken können. Selbst wenn diese Grenzen schrittweise aufgelöst werden, sind sie bis heute nicht vollständig überwunden. Momentan können wir sogar weltweite Bestrebungen beobachten, die wieder zunehmend klassische Rollenbilder propagieren und damit sogar erfolgreich sind. Können wir die Kategorie Geschlecht überhaupt überwinden?
Neben der Beschreibung bestehender gesellschaftlicher Dynamiken wollen wir einen Schritt weitergehen und über mögliche Brüche gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Praxis mit bestehenden Verhältnissen nachdenken. Neue und unbekannte Methoden wie z.B. die „Mixed Methods“ und deren Anwendungsbereiche haben sich mit der Zeit und über die Grenzen der Disziplinen hinweg entwickelt und dabei, auch dank des digitalen Fortschritts, die Möglichkeiten für Wissenschaft in der Zukunft erweitert. Damit einher gehen wiederum Paradoxien aus dem (Über-)Angebot an Optionen, welche sowohl die Möglichkeiten erweitern, als auch eine nicht greifbare Parallelwelt generieren.
Welche Rolle übernimmt Wissenschaft und insbesondere die Soziologie in dem Bestreben emanzipatorische Verhältnisse für alle Menschen zu schaffen? Wie kann die Vermittlung von soziologischem Wissen stattfinden und die Öffentlichkeit an soziologischer Forschung beteiligt werden?
Alle Bewerbungen senden Sie bitte bis zum 4. März 2019 als Word- oder PDF-Datei an info@soziologiekongress.de