Die Komission Vergleichende und Internationale Erziehungswissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) veranstaltet vom 5.-6. Dezember am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Frankfurt am Main eine Nachwuchstagung mit dem Schwerpunkt „Kontext- und Kultursensibel – Strategien Vergleichender Forschung. Methodische und methodologische Fragen der internationalen und vergleichenden Erziehungswissenschaft“.
Organisationen sind in vielfacher Hinsicht sowohl Entitäten als auch soziale Prozesse, die sich aus theoretischer, empirischer und praxisbezogener Perspektive – vor allem mit Blick auf das Wechselspiel zwischen diesen drei Zugängen – verstehen lassen. Jenseits eines dichotomen Verhältnisses der aus der griechischen Philosophie stammenden Begriffe „Theorie“ und „Praxis“ ist Theorie nicht als Wissenschaft (Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft, spezifischer Organisationspädagogik) eng zu führen und Praxis nicht auf die Anwendung eines in der Theorie generierten Wissens reduziert.
Die Tagung geht den komplexen Relationen, Ambivalenzen und Widersprüchen nach und lotet Chancen und (bisher ungenutzte) Optionen neuer Theorie-Praxis-Relationierungen aus organisationspädagogischer Perspektive aus. Sie fragt nach Ansprüchen an organisationspädagogische Theorieentwicklung, empirische Forschung und Transferideen.
* Welchen Stellenwert haben demnach Praxisdiskurse für den organisationspädagogischen Diskurs?
* Welche methodisch-methodologischen Herausforderungen stellen sich, wenn wir von einem einfachen Transfer wissenschaftlichen Wissens in die organisationale Praxis (und umgekehrt) nicht ungebrochen ausgehen können?
* Welche ‚Übersetzungsleistungen‘ braucht es und wie können ‚blinde Flecke‘ angemessen bearbeitet und spezifisch organisationspädagogisches Wissen generiert werden, das den Blick auf das ‚Dazwischen‘ relationaler Perspektiven lenkt?
Vorläufige Struktur der thematischen Schwerpunkte der Tagung:
Im Rahmen der Jahrestagung bieten sich folgende Schwerpunkte zur Bearbeitung des Themas an:
I. Theoretische Verhältnisbestimmungen von Organisation zwischen Theorie und Praxis: In diesem Schwerpunkt werden grundlegende Beiträge versammelt, die sich mit der Konzeptualisierung von Organisationen zwischen Theorie, Empirie und Praxis aus organisationspädagogischer und weiterer subdisziplinärer bzw. interdisziplinärer Perspektive auseinandersetzen. Hierbei sollen die komplexen Relationen, Ambivalenzen und Herausforderungen zwischen Theorie und Praxis der Organisation, zwischen Wissen und Können etc. theoretisch-konzeptionell ausgelotet und diskutiert werden. Interessante Fragen in diesem Kontext sind z.B.:
* Wie lassen sich organisationale Praktiken zwischen Theorie und Praxis und
deren Veränderung theoretisch erfassen?
* Welche organisationspädagogischen Herausforderungen der
Fokussierung auf das Theorie-Praxis-Verhältnis stellen sich aus theoretisch-systematischer und theoretisch-konzeptioneller Sicht?
* Welche sozial- und kulturwissenschaftlichen (Meta-)Theorien bieten
konstruktive Anschlüsse für die organisationspädagogische Betrachtung des Verhältnisses von Theorie und Praxis der Organisation?
II. Empirische Verhältnisbestimmungen I – Praxeologische bzw. praxisbezogene Forschung in, von bzw. zwischen Organisationen: Praxeologische bzw. praxisbezogene Forschungsarbeiten zeichnen sich durch eine Fokussierung auf organisationale Praktiken, die Rekonstruktion des Verhältnisses von formaler, informaler und ‚Schauseite‘ der Organisation aus (vgl. Kühl 2011). Organisationale Praxis bzw. organisationale Praktiken sind für entsprechende Forschungsarbeiten der zentrale Bezugspunkt. Für die Organisationspädagogik ist diese Verschränkung insofern interessant, da sowohl die Strukturen von Organisationen als auch die Praktiken der Akteur*innen (Organisationsmitglieder und Organisationen selbst) fokussiert werden können. Dieser Schwerpunkt bietet den Raum, u.a. folgende Fragestellungen zu diskutieren:
* Welche expliziten vs. impliziten Theorien von Praktiker*innen lassen sich rekonstruieren?
* Woran orientieren sich organisationale Akteur*innen bei ihren Entscheidungen bzw. in ihrem Handeln und wie lernen sie aus den Konsequenzen organisationaler Praxis?
* Wie werden organisationale Strukturen durch Praktiken (re)produziert bzw. modifiziert?
III. Empirische Verhältnisbestimmungen II – Evaluations- und Beratungsforschung als Beitrag zu Theorie und
Praxis von Organisationen: Auch für angewandte Forschungsarbeiten und Projekte der Evaluations- bzw. Beratungsforschung stehen Aspekte des Verhältnisses zwischen organisationaler Theorie und Praxis im Mittelpunkt des Interesses. Praxis ist hier sowohl Ausgangspunkt für die zu untersuchenden Forschungsfragen als auch – insbesondere im Anschluss an Evaluations- und konstitutiv für Beratungsprojekte – Zielpunkt der Veränderung und Weiterentwicklung organisationaler Praxis. Dabei werden die Forschungsergebnisse nach ihrem unmittelbaren Nutzen für die Praxis befragt, so dass sich Forschung und Praxis hierbei in besonderer Weise nahe zu kommen scheinen. Im Rahmen dieses Schwerpunktes gibt es die Möglichkeit, u.a. folgende Fragen zu diskutieren:
* Welche empirischen Ergebnisse erhellen das Verhältnis von Theorie und Praxis in Organisationen?
* Inwiefern müssen auf Basis der Forschungsergebnisse organisationspädagogische Annahmen überdacht bzw. in neuem Licht interpretiert werden?
* Mit welchem Verständnis von Praxis bzw. Praktiken wird in Evaluations- bzw. Beratungsprojekten gearbeitet?
IV. Methodologische und methodische Verhältnisbestimmungen von Theorie und Praxis der Organisation: Stereotypen Annahmen zufolge agieren Forscher*innen und Praktiker*innen oft losgelöst voneinander und mit differierenden Referenzpunkten – die Wissenschaftler*innen im ‚Elfenbeinturm‘, die Praktiker*innen ‚wissenschaftsfeindlich‘ oder ‚beratungsresistent‘ ohne expliziten Bezug auf Theorie und neueste Forschungsergebnisse und/oder unter mangelnder Reflexion ihrer implizit bleibenden theoretischen Annahmen. Zudem erfordert Forschung in Organisationen eine selbstreflexive Haltung der Forschenden, die normative wie politische Aspekte thematisiert und nach ihren eigenen ‚Eingriffen‘ in organisationale Praxis fragt. Dieser Schwerpunkt bietet Raum dafür, die wechselseitigen Erwartungen von Wissenschaft und Praxis unter methodologisch-methodischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Leitende Fragen können dabei sein:
* In welchem methodisch-methodologischen Verhältnis stehen Forschung und Praxis in der Organisationspädagogik zueinander?
* Welche Folgen hat die theoretische Konzipierung des Gegenstandes
Organisation für das Forschen in Organisationen, die gewählten Erhebungs- u. Auswertungsstrategien?
* Welche methodologisch-methodischen Herausforderungen stellen sich angesichts des Theorie-PraxisProblems organisationspädagogischer Forschung in Organisationen?
* Wie verändert organisationspädagogische Forschung organisationale Praktiken?
V. Forschungs-Praxis-Transfer bzw. Praxis-Forschungs-Transfer als organisationspädagogische Herausforderung: In letzter Zeit werden einerseits verstärkt Erwartungen des Transfers wissenschaftlichen Wissens in die organisationale Praxis bzw. der Begleitung organisationaler ‚Verwertungsprozesse‘ von Forschungsergebnissen in Organisationen artikuliert. Andererseits suchen Organisationen Kontakt zu Forscher*innen, um sich von ihnen bei aktuellen Fragestellungen wissenschaftlich begleiten zu lassen. Hier stellen sich vor allem Fragen der wechselseitigen Anschlussfähigkeit:
* Unter welchen Bedingungen können diese Transferprozesse gelingen?
* Wo enden Verantwortung und Mitwirkung von Forschenden, die
Verwertung ‚ihrer‘ Forschungsergebnisse in den untersuchten Organisationen zu begleiten?
* Wie kann dieser wechselseitige Transfer reflektiert bzw. professionalisiert werden?
* Wie kann das zuweilen schwierige Verhältnis zwischen Forscher*innen und Praktiker*innen gestaltet werden und welche Konsequenzen hat dies für organisationspädagogische Transferprozesse?
Kolleg*innen, die zu solchen und ähnlichen Fragen arbeiten, sind herzlich eingeladen, ihre Ansätze, Befunde, Konzepte und Transfererfahrungen im Rahmen der Tagung in Kiel zur Diskussion zu stellen. Beiträge von Forscher*innen aus angrenzenden Disziplinen (z.B. der Organisationssoziologie, den Wirtschaftswissenschaften etc.) und von Praktiker*innen aus Organisationen und/oder der organisationalen Beratungspraxis sind willkommen.
Es ist geplant, dass die Vorträge zu den jeweiligen Schwerpunkthemen je 25 Minuten (+ 20 Minuten Diskussion) zur Verfügung haben. Im Rahmen einer Postersession soll es zudem die Möglichkeit geben, laufende oder abgeschlossene Projekte in ihren Kernergebnissen durch ein Poster und einen zweiminütigen Kurzvortrag vorzustellen und anschließend im offenen Rahmen miteinander in Diskussion zu kommen. Für die Posterpräsentationen wird ein eigenes Zeitfenster im Tagungsprogramm vorgesehen. Die Postersession
richtet sich explizit nicht ausschließlich an Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase, sondern soll insbesondere dazu dienen, wesentliche Ergebnisse aktueller Forschungs- und Transferprojekte vorzustellen. Die Tagung findet in deutscher Sprache statt, englischsprachige Beiträge sind jedoch ebenfalls herzlich willkommen.
Der Haupttagung wird im Rahmen des 6. Forums pädagogischer Organisationsforschung eine Pre-Conference mit Werkstattcharakter vorangestellt, die Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase die Möglichkeit bietet, eigene Projekte und Vorhaben vorzustellen und zu diskutieren. Interessent*innen wenden sich bitte an Dr. Nicolas Engel (nicolas.engel@fau.de). Ein separater Call for Abstracts wird in Kürze verschickt. Wir laden Sie ein, Vorschläge für einen Vortrag zu einem der Schwerpunkte oder für ein Poster zum Tagungsthema einzureichen. Bitte stellen Sie uns dazu ein Abstract Ihres Beitrags (1.500-2.000 Zeichen) in deutscher (oder englischer) Sprache zur Verfügung, aus dem der Bezug zum oben skizzierten Rahmen der
Tagung deutlich wird. Bitte nennen Sie hierzu immer auch relevante Literaturhinweise.
Geben Sie im Abstract bitte an, in welchem Format (Vortrag oder Poster) Sie Ihren Beitrag vorstellen möchten. Bitte geben Sie auch den von Ihnen präferierten Schwerpunkt an, dem Sie Ihren Vortrag zuordnen würden. Alle Vorschläge werden durch das Programmkomitee gesichtet und bei Annahme (soweit möglich unter Berücksichtigung der Selbstzuordnung der Autor*innen) den Schwerpunkten bzw. der Postersession zugeordnet. Das Programmkomitee behält sich für den Fall, dass die Gesamtheit der Einreichungen dies notwendig erscheinen lässt, vor, die Tagungsstruktur nach Sichtung der Einreichungen durch eine thematische Neuausrichtung einzelner Schwerpunkte zu modifizieren. Bitte schicken Sie Ihr Abstract (für Vortrag bzw.
Poster) bis zum 31. Juli 2019 an: Martin Hunold, hunold@paedagogik.uni-kiel.de